WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Rumänien: Entlang der wilden Donau bis zum Schwarzen Meer

Reise Rumänien

Entlang der wilden Donau bis zum Schwarzen Meer

Im zweitgrößten Flussdelta Europas sind die Dörfer nur mit dem Boot erreichbar, der morastige Untergrund trägt keine Straßen. Karten und Wegbeschreibungen sind in dieser schwimmenden Welt nur Makulatur, denn jeden Tag zeigt sich das Delta ein wenig anders. Wo heute ein See ist, ist morgen eine Schilfinsel.

Langsam tuckert das Boot durch das Donaudelta, ein Labyrinth aus Seen, Lagunen und Kanälen. Rechts und links ziehen endlose Landschaften dahin: Weiden, Schilf und immer wieder kleine Seen und Seitenarme. Vogelschwärme kreisen über den Sümpfen. Pelikane landen im Wasser, überall blühen Seerosen und Wasserlilien.

An jeder Anlegestelle wird das Boot ein wenig leerer, die Gegend ein wenig bäuerlicher. Partizani, Vulturu, Maliuc, Gorgova … nur wenige Hundert Bewohner zählen die Dörfer entlang des Sulina-Arms der Donau, der sich im Nordosten Rumäniens von Tulcea bis zum Schwarzen Meer zieht.

Endstation ist Sulina, eine vergessene Hafenstadt an der Mündung, die nur mit dem Boot zu erreichen ist. Die nächste Großstadt – Tulcea mit 90.000 Einwohnern, die sich auch nur so nennen darf, weil es drum herum keine Konkurrenz gibt – liegt etwa fünf Bootsstunden entfernt. Zwischendrin 6000 Quadratkilometer Donaudelta. Eine Landschaft der Rekorde: Europas größte Sumpflandschaft und das größte zusammenhängende Schilfgebiet der Welt, seit 1991 ein Unesco-Weltnaturerbe und Biosphärenreservat und auch noch das zweitgrößte Mündungsgebiet Europas – nur das Delta der Wolga kann der Donau sprichwörtlich das Wasser reichen.

Keine andere Region Europas hat eine so niedrige Bevölkerungsdichte wie die schwimmende Welt des Deltas: Hier leben etwa 14.500 Menschen, verstreut in 25 Dörfern. Die Einheimischen leben von Fischfang, Viehwirtschaft und der Schilfrohrernte oder lotsen die Besucher durch das Deltalabyrinth.

Lesen Sie auch

Die letzten Kilometer nach Sulina sind erst einmal wenig verheißungsvoll: verfallene Industrieanlagen, einige Häuserblöcke aus Beton, zwischen zwei Anlagen sitzen drei Jungs auf einer angeschlagenen Brücke und fischen.

Doch dann fällt der Blick auf die liebevoll restaurierte Uferpromenade, auf Kirchen und Kathedrale. Sulina hat einen der schönsten und längsten Strände Europas, allerdings nahezu frei von kommerziellen Angeboten wie Cafés.

Es sind nur wenige Schritte in das ehemalige Zentrum. Und ehemalig ist das richtige Wort, denn offensichtlich hat die Stadt schon bessere Tage gesehen. Vor vielen Jahren.

Nur wenige Meter hinter der renovierten Promenade am Fluss verfallen die herrlichen Jugendstilbauten. An einem hängt das Schild „Hotel“, aber es ist längst geschlossen. In die blinde Fensterscheibe hat jemand „Ciao Sulina“ geschrieben. Nebenan befindet sich der Gemischtwarenladen Magazin Mixt; in der Auslage liegen Gewürzdöschen im Design der 70er-Jahre.

Wer kann, hat die Stadt und das Delta verlassen, vor allem die Jungen suchen Glück und Karriere im Landesinneren. Sulina wäre längst eine Geisterstadt, gäbe es nicht Menschen wie Museumswärterin Lupina Lupu. Jeden Tag verbringt die 60-Jährige in der kleinen Ausstellung am Fuße des Leuchtturms von Sulina. Drei, vier Besuchergrüppchen kommen am Tag, um sich über die Geschichte Sulinas zu informieren. Meist sind es rumänische Urlauber, die die Einsamkeit der Strände von Sulina suchen oder mit dem Hausboot durch das Delta fahren. Tourismus ist einer der wenigen Wirtschaftszweige, auf die eine ganze Stadt ihre Hoffnung setzt. Es gibt viele kleine Privatpensionen und Wirtschaften.

Anzeige

Noch vor rund hundert Jahren war das rumänische Sulina eine kleine, aber international aufstrebende Hafenstadt: 1856 zum Sitz der Europäischen Donaukommission auserkoren, der internationalen Verwaltung der Donau-Schifffahrt, beherbergte die Stadt mit dem Freihafen nicht nur etliche Konsulate, sondern war auch Heimat mehrerer Tausend Griechen, Rumänen und Russen, Armenier und Türken, aber auch Österreicher, Ungarn und Albaner, Deutscher, Italiener, Bulgaren, Polen und vieler anderer Nationalitäten.

Dann, mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, kam das abrupte Ende: Die Europäische Donaukommission wurde aufgelöst und die Stadt wieder zu dem, was sie im Grunde immer war: eine Siedlung am Ende der Welt, ohne nennenswerte Verbindungen zur Außenwelt. Heute leben rund 4000 Menschen in Sulina, umgeben von Sumpf- und Schilfland. Bis heute ist Sulina nur mit dem Boot zu erreichen, denn der morastige Untergrund trägt keine einzige Straße. Was wie eine grüne Ebene wirkt, trügt: Hier ist nur wenig fester Boden in Sicht. Karten und Wegbeschreibungen sind Makulatur, denn jeden Tag zeigt sich das Delta ein wenig anders. Wo gestern noch ein See war, kann heute eine dichte Schilfinsel schwimmen.

Lupina Lupu ist ein Lichtblick in Sulina. Denn ihre Familie ist geblieben, auch die nächste Generation: Trotz abgeschlossenen Studiums wird ihre Tochter Sulina nicht verlassen – und ab dem nächsten Jahr die Stelle im Leuchtturmmuseum übernehmen. Warum? Lupu lacht: „Es ist unglaublich schön hier.“

Anreise: Mit der rumänischen Fluggesellschaft Tarom ( www.tarom.de ) oder Carpatair ( www.carpatair.com ) via Bukarest nach Constanta, dann mit dem Bus in zwei Stunden nach Tulcea, weiter mit dem Boot.

Unterkunft: Es gibt viele Pensionen, zum Beispiel „Pensiunea Jean Bart“, Sulina, DZ ab umgerechnet 35 Euro, www.pensiuneajeanbart.ro

Angebot: Einwöchige Hausboottour im Donaudelta ab/bis Bukarest kostet ab 895 Euro bei Intertouring, www.intertouring de; Individuelle Reisen ins Donaudelta ab/bis Deutschland gibt es bei Rom-Travel, www.romtravel.de

Auskunft: Fremdenverkehrsamt Rumänien, Tel. 030/241 90 41,
www.rumaenien-tourismus.de

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema